„Die Mischung macht‘s: Es geht nicht darum, mehr zu machen, sondern anders.“

Heinz Ostermann, Mitglied des Executive Committee sowie Prokurist bei I. K. Hofmann und Vorsitzender des Verbandsbereichs Personalvermittlung beim BAP, steht dem "arbeitsblog" zur Studie "Barometer Personalvermittlung 2023 - Wachtumgspotenziale für ein modernes Recruiting" Rede und Antwort. Hier lesen Sie das Interview.

Heinz Ostermann (©BAP, Foto: Regina Sablotny)
Quelle: 360-Grad-Studie „Barometer Personalvermittlung 2023 – Wachstumspotenziale für ein modernes Recruiting“ des Verbandsbereichs Personalvermittlung (VBPV) des Bundesarbeitgeberverbandes der Personaldienstleister e. V. (BAP)
Quelle: 360-Grad-Studie „Barometer Personalvermittlung 2023 – Wachstumspotenziale für ein modernes Recruiting“ des Verbandsbereichs Personalvermittlung (VBPV) des Bundesarbeitgeberverbandes der Personaldienstleister e. V. (BAP)
  • Der Verbandsbereich Personalvermittlung (VBPV) des Bundesarbeitgeberverbands der Personaldienstleister e. V. (BAP) hat im Herbst 2023 die vierte Ausgabe der Studie „Barometer Personalvermittlung 2023 – Wachstumspotenziale für ein modernes Recruiting“veröffentlicht.
  • Fokus der diesjährigen Studie ist Active Placement, also der proaktive Vertrieb passender Kandidatenprofile an Bestands- sowie Neukunden. 1.000 potenzielle Kandidatinnen und Kandidaten, 1.152 Unternehmen und 531 Personalvermittler haben an der Studie teilgenommen. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse bilden Trends und Entwicklungen von Recruiting-Themen ab.
  • Heinz Ostermann, Mitglied des Executive Commitee sowie Prokurist bei I.K. Hofmann und Vorsitzender des Verbandsbereichs Personalvermittlung beim BAP, erzählt, welchen Stellenwert Active Placement in der Personalvermittlung einnimmt, ob herkömmliche Recruiting-Methoden davon abgelöst werden und welche Geschäftsfelder zukünftig dabei helfen können, das eigene Dienstleistungsangebot auszuweiten.

 

arbeitsblog:Aus der Studie geht hervor, dass Active Placement noch zu selten genutzt wird, obwohl ein Großteil der Personalvermittler dessen Bedeutung durchaus erkennt. Woran kann das liegen? Schreckt der vergleichsweise hohe Aufwand ab oder gibt es Ihrer Ansicht nach weitere Gründe hierfür?

Heinz Ostermann: Hier muss man etwas differenzieren: Die Mehrheit der Personalvermittler nutzt zwar Active Placement – doch 60 Prozent der Studienteilnehmer machen keinen signifikanten Umsatz damit. Dabei spielen verschiedene Gründe eine Rolle. Zum einen kann es sein, dass man in der anfänglichen Euphorie den Kunden mit falschen Profilen ohne Auftrag überfrachtet und dadurch negatives Feedback zurückbekommen hat. Zum anderen kommt es auch darauf an, welche Erfahrungen man bereits sammeln konnte: Wie ist die Qualität der Profile? Wie ist der Kontakt zu den Unternehmen? Bei Neukunden, die mit Active Placement rekrutiert werden, muss viel mehr Zeit investiert werden, um eine Vertrauensbasis zu schaffen. Bestandskunden konnten bereits gute Erfahrungen mit der Personalvermittlung machen. Hier spart man sich also einen Schritt. Active Placement ist einer der Vertriebskanäle, der von vielen zwar genutzt wird, aber nicht intensiv. Man muss – wie der Name bereits erahnen lässt – noch aktiver werden. Viele sind in der Hinsicht träge geworden und machen deswegen Fehler.

arbeitsblog: Neben Active Placement gewinnt auch Active Sourcing zunehmend an Bedeutung. Beide Methoden unterscheiden sich in vielen Punkten von den klassischen Ansätzen. Müssen Personalvermittler ihre Vorgehensweisen künftig komplett verändern, um mit den veränderten Bedingungen Schritt zu halten?

Heinz Ostermann: Zum Thema veränderte Bedingungen möchte ich zunächst einmal betonen: Alle Erfahrungen, die vor 2019 gemacht wurden, sind nur noch die Hälfte wert. Die Welt hat sich seit Ende 2019 in einer Geschwindigkeit weiterentwickelt, die eigentlich nur noch mit einem Turbo zu vergleichen ist. Da will ich nicht nur das vielzitierte Corona anfügen, sondern auch die veränderte Industriewelt in Deutschland, den Krieg in der Ukraine und den drohenden – oder schon ausgebrochenen – Krieg im Nahen Osten. Wer denkt, dass die Methoden, die im HR-Business vor 2019 ganz gut geklappt haben, weiterhin funktionieren, der hat schon das erste große Problem. Der Markt hat sich in Richtung der Kandidaten verändert, daher müssen die Vertriebskanäle komplett überprüft werden. Hier setzt die Studie an. Active Placement, aber auch Active Sourcing ist da ein wichtiger Punkt. Neue Technologien bieten auch neue Arten, Kandidaten anzusprechen. „Post and Pray“ gehört in die Zeit vor 2019.

Active Sourcing ist auch ein Stück weit Branding des Personalvermittlers. Das hat sich im Wesentlichen in den letzten drei Jahren geändert. Darunter fällt vor allem das Netzwerk des Personalvermittlers. Wenn ich ein großes Netzwerk habe, bekomme ich durch Empfehlungen viel leichter neue Bewerbungen. Oder wenn ich nun eine Kandidatin oder einen Kandidaten direkt anspreche, besucht der- oder diejenige mein LinkedIn-Profil und sieht, dass ich aktiv bin und Follower habe. Dadurch wird ebenfalls Vertrauen aufgebaut. Die Personalvermittler tun gut daran, sich in dieser neuen Welt schnell zurechtzufinden. Das gilt nicht nur für die Großen, sondern auch für kleine bis mittlere Unternehmen. Das Wort „active“ kommt sowohl beim Placement, als auch beim Sourcing vor. Das ist der Knackpunkt, bei dem die Personalvermittler noch umdenken müssen.

arbeitsblog: Wenn wir uns die Studie anschauen, zeigt sich, dass Unternehmen als auch Mitarbeitende immer noch sehr zufrieden mit Personalvermittlung sind. Aber gerade bei den Unternehmen zeigt sich eine leicht sinkende Tendenz. Kann Active Placement eine Möglichkeit sein, um dieser Entwicklung entgegenzuwirken? Welche weiteren Ansätze sind Ihrer Meinung nach sinnvoll?

Heinz Ostermann: Erst einmal muss ich eine Lanze für alle Personalvermittler brechen:Der veränderte Arbeitsmarkt macht es ihnen nicht unbedingt leichter. Zudem wird diese Veränderung von dem einen oder anderen Unternehmen noch ignoriert. Sie wundern sich dann, wenn sie nicht die Profile bekommen, die zu 100 Prozent passen. Die logische Konsequenz: Das führt letztendlich zu Unzufriedenheit. Mit Active Placement kann man dagegen steuern. Aber: Es ist eine verantwortungsvolle Aufgabe, wenn es erfolgreich sein soll. Wichtig sind die Vorbereitungen, die man dafür treffen muss. Manche Kollegen schießen mit Active Placement am Ziel vorbei und lassen bei dem Thema eher wenig Sorgfalt walten – stattdessen gehen sie mit Hilfe von künstlicher Intelligenz auf Masse. Die ersetzt aber nicht die emotionale Intelligenz. Die Schwierigkeit besteht darin, letztendlich die passenden Kandidaten herauszufiltern.

Ein weiterer wichtiger Punkt, der zur sinkenden Zufriedenheit der Unternehmen beiträgt: Manche Personalvermittler nehmen Aufträge ungeprüft an. In diesen Aufträgen werden Kandidaten gesucht, die es gar nicht geben kann. Logischerweise sind die Kunden dann unzufrieden, wenn Personalvermittler nicht liefern können. Mein Appell an die Kollegen ist, genauer hinzuschauen und auch bei der Auftragsannahme schon zu prüfen, ob es machbar ist. So vermeidet man unnötige Mehrarbeit und unzufriedene Kunden.

arbeitsblog: Auch in dieser Ausgabe des Barometers Personalvermittlung erhalten die Leser praktische Handlungsempfehlungen. Ob Active Sourcing oder Placement – die Kandidaten stehen künftig im Mittelpunkt. Wird der oben erwähnte klassische Ansatz aussterben? Oder kommt es eher auf eine ausgewogene Mischung aus proaktivem Kandidatenvertrieb und herkömmlicher Stellenbesetzung an?

Heinz Ostermann: Wie im richtigen Leben, kommt es in der Rekrutierung auch auf die Mischung an. Personalvermittler sollten die neuen Tools nutzen, die ihnen geboten werden, können sich aber nicht nur auf diese verlassen. Das Wichtige ist, sich der modernen Welt zu stellen. Gerade die Veränderung hin zum Kandidatenmarkt, bei dem der Bewerber im Mittelpunkt steht, erfordert Umdenken. Die Studie bietet dahingehend viele spannende Anhaltspunkte und Handlungsempfehlungen.

Eines möchte ich abschließend noch ergänzen: Ein wichtiges Geschäftsfeld, das viel Potenzial bietet, ist die Auslandsrekrutierung. Personalvermittler können davon nur profitieren – und das, obwohl das Modell für sie im ersten Moment mit einem Mehraufwand verbunden ist.

Auslandsrekrutierung ist mit höheren Kosten verbunden und natürlich ist es eine Budgetfrage. Doch Unternehmen müssen abwägen: Können sie es sich leisten, eine Stelle länger offen zu lassen – oder lohnt es sich, sie mit Mehrkosten zu besetzen? So entstehen Geschäftsmodelle, die clevere Kollegen nutzen können, um sich den erwähnten Mehraufwand bezahlen zu lassen.

Viele Personalvermittler haben außerdem die idealen Ausgangsbedingungen, um für ihre Kunden Recruiting im Ausland zu betreiben – gerade innerhalb der EU. Vielleicht haben sie Mitarbeitende im Team, die spanisch oder kroatisch sprechen, um nur zwei Beispiele zu nennen. Der Pool an potenziellen Kandidaten, die sie erreichen, ist damit automatisch um ein Vielfaches größer.

Wenn dann noch Nicht-EU-Länder dazu kommen und Personalvermittler sich von ihren Kunden Vollmachten geben lassen, dass sie auch Arbeitsverträge und Visaanträge unterschreiben dürfen, dann bietet sich noch viel mehr Potenzial! Und wer ist besser dazu geeignet, um Menschen aus dem Ausland in den Arbeitsmarkt zu integrieren, als ein Personalvermittler? Daher zusammenfassend: Auslandsrekrutierung ist ein wichtiger Punkt im Jahr 2023 und wird aus meiner Sicht auch in den kommenden Jahren an Bedeutung gewinnen.

arbeitsblog: Herr Ostermann, herzlichen Dank für das Gespräch!

 

 

Die 360-Grad-Studie „Barometer Personalvermittlung 2023 – Wachstumspotenziale für ein modernes Recruiting“ des Verbandsbereichs Personalvermittlung (VBPV) des Bundesarbeitgeberverbandes der Personaldienstleister e.V. (BAP) ist kostenfrei als PDF-Download oder in gedruckter Fassung im Onlineshop unter www.bap-akademie.com/onlineshop erhältlich.